Häufig kommt es vor, dass der Leistungsantrag in der Berufsunfähigkeitsversicherung Angaben enthält, welche der Versicherer ausnutzt, um seiner Leistungspflicht zu entgehen. Ich möchte Ihnen daher im Folgenden einige Fallstricke darstellen, die Sie bei Stellung des Leistungsantrags unbedingt vermeiden sollten.

Teil 1: Das Risiko einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung

Die eigentliche Risikoprüfung bei Abschluss eines Versicherungsvertrages wird vielfach nur auf einen späteren Zeitpunkt verlagert und erfolgt erst dann, wenn Leistungen von der Versicherung tatsächlich verlangt werden. Im Leistungsfall wird die Versicherung – auch noch viele Jahre nach Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung – versuchen, sich von diesem Vertrag wieder zu lösen.

Denn ein Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung stellt für die Versicherer in den meisten Fällen einen sehr großen Schaden dar, da langjährige Zahlungen der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente vom Versicherer an den Versicherungsnehmer drohen. Sie als Antragsteller müssen daher davon ausgehen, dass der Versicherer sehr genau prüfen wird, ob und wie er seiner Zahlungspflicht entgehen kann.

Der von den Versicherern oft erhobene Vorwurf lautet in diesem Fall:

Obliegenheitsverletzung und/oder vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung

Hintergrund ist der Umstand, dass dieser Vorwurf in vielen Fällen die einzige Möglichkeit für den Versicherer darstellt, sich im Nachhinein vom Vertrag zu lösen. Denn anders als Ihnen steht dem Versicherer in der Berufsunfähigkeitsversicherung kein ordentliches Kündigungsrecht zu.

Was heißt das für Sie konkret?

Zunächst sollten Sie sicherstellen, dass alle Angaben zu der beruflichen Tätigkeit, die gegenüber dem Versicherer gemacht werden, von dem Arbeitgeber oder von Kollegen bestätigt werden können. Denn oft werden Angaben zu Sachverhalten, die gegen das Arbeitsrecht verstoßen, nicht vom Arbeitgeber bestätigt.

Auch Folgendes sollten Sie beachten: Wenn Sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen wollen, müssen Sie Gesundheitsfragen beantworten. Dabei müssen Sie Behandlungen, Erkrankungen oder stationäre Aufenthalte der letzten Jahre offenlegen. Auf Basis Ihrer Antworten entscheidet der Versicherer, ob und zu welchen Bedingungen er Sie versichert. Eine konkrete Prüfung der beantworteten Fragen auf ihre Richtigkeit erfolgt aber erst im konkreten Leistungsfall.

Rücktritt, Vertragsanpassung, Kündigung bei vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung

Für ein Rücktrittsrecht des Versicherers im Falle einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung muss der Versicherer beweisen, dass der Versicherungsnehmer vor bzw. bei Abschluss des Versicherungsvertrags vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat. Im Falle einer lediglich grob fahrlässigen oder leicht fahrlässigen Falschangabe besteht in den meisten Fällen lediglich ein Recht auf Vertragsanpassung.

Zur Geltendmachung eines Rücktrittsrechts oder Vertragsanpassung oder auch einer Kündigung des Vertrags wegen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung muss der Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss durch den Versicherer in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen worden sein.

Auch muss der Versicherer seine Rechte binnen Monatsfrist ab Kenntnis von der Anzeigepflichtverletzung schriftlich unter Angabe der Umstände, auf die er seine Erklärung stützt, geltend machen. Sind seit dem Vertragsabschluss bereits 5 Jahre verstrichen und tritt der Versicherungsfall erst danach ein, ist der Versicherer bei lediglich leicht fahrlässiger Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers mit seinen vorstehend aufgeführten Rechten ausgeschlossen. Bei vorsätzlicher oder arglistiger Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers spätestens mit Ablauf von 10 Jahren nach Vertragsschluss.

Und außerdem ist der Versicherer nach Eintritt eines Versicherungsfalles bei einem Rücktritt wegen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung nur unter folgender Voraussetzung leistungsfrei: Die Verletzung der Anzeigepflicht muss sich auf einen Umstand beziehen, der für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles oder für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers auch ursächlich war.

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Aus diesem Grund wird häufig der Vorwurf eines sogar arglistigen Verhaltens des Versicherungsnehmers erhoben. Die Arglistanfechtung hat immer die Leistungsfreiheit des Versicherers zur Folge. Sie muss zudem nicht schon binnen Monatsfrist, sondern erst binnen Jahresfrist ab Kenntnis erklärt werden. Darüberhinaus ist der Versicherer bei einer Arglistanfechtung sogar dann leistungsfrei, wenn die Krankheit, die verschwiegen wurde, gar nicht entscheidend für den Eintritt der Berufsunfähigkeit gewesen ist. Das sogenannte Kausalitätserfordernis entfällt also.

Voraussetzungen für die Annahme einer arglistigen Täuschung

Zur Beurteilung, ob Arglist vorliegt, sind die im Antrag angegebenen und verschwiegenen Tatsachen in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag alleine rechtfertigen also den Schluss auf eine arglistige Täuschung noch nicht. Die arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer voraus. Diese muss zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums erfolgen. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht. In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich Folgendes voraus: Der Versicherungsnehmer muss erkennen und billigen, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde.

Fazit

Der Vorwurf der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung oder einer Obliegenheitsverletzung wird von den Versicherungen häufig vorschnell erhoben, um eine Leistungsfreiheit zu erreichen.

Die Nachteile für den Versicherungsnehmer sind gewaltig. Neben der Leistungsfreiheit des Versicherers im Versicherungsfall muss der Versicherer im Falle einer arglistigen vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung auch die langjährig bezahlten Versicherungsbeiträge nicht an den Versicherungsnehmer zurückzahlen.

Tatsächlich sind die Voraussetzungen für eine vorsätzliche oder sogar arglistige vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung und eine hierauf beruhende Anfechtung und Leistungsfreiheit aber häufig nicht erfüllt.

Nach meiner Erfahrung ist davon auszugehen, dass ein großer Teil der Kündigungen, Rücktritte und Anfechtungen der Versicherer wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen bereits aus formalen Gründen unwirksam ist. Aus diesem Grund sollten Sie eine solche Entscheidung Ihrer Versicherung nicht widerspruchslos akzeptieren. Eine genaue Prüfung zahlt sich aus. Sprechen Sie mich gerne an!

Ausblick

Unabhängig von der vorstehend erörterten Frage des Vorwurfs der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung gibt es weitere Fallstricke bei der Beantragung von Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung. Diese betreffen

– den Zeitpunkt der Antragstellung

– die dem Antrag beizufügende Tätigkeitsbeschreibung

– den Umfang der Schweigepflichtentbindungserklärung.

Hierauf werde ich in einem gesonderten Beitrag auf dieser Seite näher eingehen.

Probleme in der Berufsunfähigkeitsversicherung